Hackathons als Karrierekatalysatoren: Innovative Wege zur beruflichen Integration
Können Hackathons die Kluft zwischen qualifizierten Migranten und lokalen Arbeitsmärkten überbrücken? Das Projekt Hack Integration nutzt Hackathons, um Integration und Inklusion zu verbessern. Das Projekt untersucht, ob hochqualifizierte Flüchtlinge und Migranten bessere Arbeitsplätze finden, nachdem sie mit lokalen Fachkollegen in einer kollaborativen Hackathon-Umgebung zusammengearbeitet haben, und ob ausgewogene Hackathon-Teams, die durch einen Teamvorschlag gebildet werden, produktiver und zufriedener sind.
Die Herausforderung: Überbrückung der Qualifikationslücke trotz qualifizierter Migration
Viele hochqualifizierte Berufe weisen derzeit niedrige Arbeitslosenquoten und hohe Vakanzraten auf. Diese Lücke könnte teilweise durch Flüchtlinge gefüllt werden. Beispielsweise verfügten im Jahr 2022 70% der ukrainischen Flüchtlinge in der Schweiz im Alter von 18 bis 59 Jahren über einen Universitätsabschluss und sprachen Englisch (Fritschi et al. 2023). Viele haben eine Ausbildung in Berufen mit Fachkräftemangel wie Ingenieurwesen, Gesundheitswesen und IT. Gleichzeitig finden hochqualifizierte Flüchtlinge in der Regel keine Arbeitsplätze, die ihren Qualifikationen entsprechen. Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass diese Diskrepanz teilweise auf ihre Abhängigkeit von sozialen Netzwerken bei der Arbeitssuche zurückzuführen ist (Lamba 2003) und dass formelle Beschäftigungsmassnahmen die Teilnehmenden zu noch niedriger qualifizierten Jobs führen (Godin und Renaud 2002; Bloch 2008; Lacroix et al. 2015; Steimel 2017).
Gleichzeitig stellt die Teambildung eine weitere Herausforderung dar: Während es selbstgebildeten Teams oft an Diversität mangelt, verwenden algorithmische Ansätze zur Teambildung auf Bewertungsmechanismen mit eher willkürlicher Punktevergabe und Gewichtung zur Optimierung und vernachlässigen dabei häufig die Präferenzen der Teilnehmenden (Layton et a. 2010; Yannibelli & Amandi 2017). Es gibt dafür Studien, die untersuchen, ob solche Punktsysteme plausibel sind, für die Bildung optimaler Teams (Spoelstra et al. 2015).
Das Forschungsprojekt: Zwei Kernfragen
Dieses Projekt untersucht zwei Forschungsfragen. Unsere erste Forschungsfrage untersucht, ob die Teilnahme an Hackathons die Karrierechancen verbessern. Bei diesen Veranstaltungen können Flüchtlinge ihre Fähigkeiten praktisch demonstrieren und direkte Kontakte zu potenziellen Kollegen knüpfen. Dies umgeht ein bekanntes Problem: Personalverantwortliche unterschätzen häufig ausländische Qualifikationen und Berufserfahrung, wenn sie nur Lebensläufe lesen. Wir untersuchen, ob Flüchtlinge und Migranten, die an geeigneten Hackathons teilnehmen, bessere Arbeitsplätze finden. Dies tun wir, indem wir zunächst Flüchtlingen helfen, passende Veranstaltungen zu identifizieren und dann auswerten, ob dies ihre Situation verbessert hat.
Innerhalb des Projektes erheben wir Daten mittels einer zweiphasigen Umfrage, die die Erfahrungen bei der Arbeitssuche und die beruflichen Netzwerke vor und nach der Teilnahme untersucht. Im Rahmen des Projekts verknüpfen wir auch administrative Daten zur Beschäftigung. Insgesamt können wir unsere Teilnehmenden nicht nur mit sich selbst im Zeitverlauf verglichen, sondern auch mit Personen, die an den Programmen unserer beiden Partner, Capacity und Power Coders, teilnehmen, die im Bereich der hochqualifizierten Arbeitsmarktintegration tätig sind. Darüber hinaus werden sie mit einer aus Verwaltungsdaten konstruierten Kontrollgruppe verglichen.
Unser zweiter Forschungsschwerpunkt untersucht die Teambildung bei Hackathon-Veranstaltungen. Mittels einer randomisierten kontrollierten Studie testen wir, ob ein neues Team-Vorschlagstool, das die Teamzusammensetzung ausgleicht, die Zufriedenheit, Produktivität und Stabilität bei Hackathon-Veranstaltungen verbessern kann. Wir rekrutieren Veranstaltungen und weisen sie entweder einer Behandlungsgruppe zu, die den «Deferred Acceptance Algorithm» testet, oder einer Kontrollgruppe (die üblicherweise Selbstzuweisung für die Teambildung nutzt). Wie funktioniert der Algorithmus?
- Teilnehmende bewerten ihre Teampräferenzen und geben ihre Fähigkeiten an
- Teams spezifizieren erforderliche Fähigkeiten
- Für alle Teams gilt eine gemeinsame maximale Teamgrösse
- Der Algorithmus verarbeitet Übereinstimmungen durch mehrere Iterationen:
- Nicht zugeordnete Personen «bieten» sich ihrem bevorzugten Team an, das sie noch nicht abgelehnt hat
- Teams akzeptieren, wenn sie diese Fähigkeiten brauchen und noch Platz haben
- Wenn ein Team eine bestimmte Fähigkeit benötigt, aber keinen Platz hat, können sie das neue Angebot annehmen und dafür jemanden mit einer bereits abgedeckten Fähigkeit entfernen
- Abgelehnte Personen bieten sich dann in nachfolgenden Iterationen ihrem nächsten bevorzugten Team an
- Dieser Prozess wird fortgesetzt, bis keine neuen Angebote mehr gemacht werden
Bei Veranstaltungen erhalten die Teilnehmenden den Teamvorschlag auf einem Namensschild, können aber frei ein anderes Team wählen, wenn sie möchten. Die Veranstaltungsteilnehmenden beantworten einen Post-Event-Fragebogen, der die Veranstaltungs- und Teamerfahrung abdeckt. Für Veranstaltungen, die unsere Partner-Hackathon-Hosting-Plattform Dribdat nutzen, werden wir auch Massnahmen für Teamproduktivität und -stabilität haben, wie zum Beispiel, ob Projekte Prototypen hochgeladen haben oder wie oft Personen die Teams gewechselt haben.
Die Lösung: Hackathons als Plattformen für vielfältige berufliche Verbindungen
Die BFH Soziale Arbeit, das Digital Sustainability Lab der BFH Wirtschaft und die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der UZH arbeiten zusammen, um Hackathons zu nutzen, damit hochqualifizierte Flüchtlinge passendere Arbeitsplätze finden können. Dies könnte Flüchtlingen und Migranten helfen, ihre Beschäftigung und ihr Einkommen zu verbessern, den Bezug von Sozialleistungen und Armut zu reduzieren und dazu beitragen, die Qualifikationslücke zu schliessen. Gleichzeitig sind Hackathons eine hervorragende Plattform, um zu testen, ob «Deferred Acceptance Algorithmen», die sowohl Präferenzen als auch Teilnehmermerkmale berücksichtigen, zur Bildung inklusiver, zufriedener und produktiver Teams genutzt werden können. Diese Algorithmen wurden bereits in verschiedenen Bereichen wie der Schulwahl angewendet, wobei neuere Innovationen auch Diversität einbeziehen.
Umsetzung: Partner und Teilnahmemöglichkeiten
Wir arbeiten bereits mit Hackathon-Organisatoren und Unternehmenspartnern zusammen. Wir unterstützen diese Partner dabei, vielfältige Teilnehmende zu rekrutieren, indem wir offene Veranstaltungen in unserem Hackfinder-Tool hervorheben oder qualifizierte Flüchtlinge für reservierte Plätze bei privaten Veranstaltungen vermitteln. Darüber hinaus helfen uns einige dieser Veranstaltungen, das Team-Vorschlagstool zu testen, wobei die Hälfte der Veranstaltungen das Tool nutzt und die andere Hälfte nicht.
Wir arbeiten auch mit sozialen Partnern zusammen. Diese Partner helfen uns, hochqualifizierte Flüchtlinge und Migranten für die Teilnahme an Hackathon-Veranstaltungen zu gewinnen. Für die Flüchtlinge bedeutet dies, dass wir ihnen helfen, eine relevante Veranstaltung in ihrem Fachgebiet zu finden. Die Veranstaltungen dauern in der Regel ein bis zwei Tage und beinhalten Verpflegung und ein Rahmenprogramm mit Vorträgen. Einige Veranstaltungen, wie z.B. unser https://hack4socialgood.ch, bieten sogar ein parallellaufendes, digitales Programm für Kinder an! Um Migranten die Teilnahme zu erleichtern, stellen wir denjenigen, die an einer Veranstaltung teilnehmen und unsere Forschungsumfragen ausfüllen, ein kleines Stipendium von CHF 20 zur Verfügung.
Machen Sie mit bei der Neugestaltung der beruflichen Integration – ob Sie einen Hackathon organisieren, ein Unternehmen vertreten oder eine qualifizierte Fachkraft mit Flüchtlings- oder Migrationshintergrund sind, die an diesem innovativen Ansatz zur Karriereentwicklung teilnehmen möchte.
Gesucht: Hackathon-Organisator*innen mit Interesse an Diversität und Integration
Gesucht: Hochqualifizierte Geflüchtete und Migrant*innen, die in ihrem Beruf arbeiten möchten
Quellen
Bloch, A. (2008). Refugees in the UK labour market: The conflict between economic integration and policy-led labour market restriction. Journal of Social Policy, 37(1), 21-36.
Fritschi, T., Neuenschwander, P., Hevenstone, D., Lehmann, O., Läser, J., & Hänggeli, A. (2023). Arbeitsmarktrelevante Merkmale von Personen Mit Schutzstatus s. Bern. https://www. newsd. admin. ch/newsd/message/attachments/74948. Pdf.
Godin, J. F., & Renaud, J. (2002). The impact of non-governmental organizations and language skills on the employability of refugee claimants: evidence from Quebec. Canadian Ethnic Studies Journal, 34(1), 112-134.
Lacroix, M., Baffoe, M., & Liguori, M. (2015). Refugee community organizations in C anada: From the margins to the mainstream? A challenge and opportunity for social workers. International Journal of Social Welfare, 24(1), 62-72.
Lamba, N. K. (2003). The employment experiences of Canadian refugees: Measuring the impact of human and social capital on quality of employment. Canadian Review of Sociology/Revue canadienne de sociologie, 40(1), 45-64.
Layton, R. A., Loughry, M. L., Ohland, M. W., & Ricco, G. D. (2010). Design and validation of a web-based system for assigning members to teams using instructor-specified criteria. Advances in Engineering Education, 2(1), n1.
Spoelstra, H., Van Rosmalen, P., Houtmans, T., & Sloep, P. (2015). Team formation instruments to enhance learner interactions in open learning environments. Computers in human behavior, 45, 11-20.
Steimel, S. (2017). Negotiating refugee empowerment (s) in resettlement organizations. Journal of Immigrant & Refugee Studies, 15(1), 90-107.
Yannibelli, V., & Amandi, A. (2017, October). A hybrid evolutionary algorithm based on adaptive mutation and crossover for collaborative learning team formation in higher education. In International Conference on Intelligent Data Engineering and Automated Learning (pp. 345-354). Cham: Springer International Publishing.

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