Wo steht die App für Nutzschweine nach dem ersten Jahr?

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Das Pig Health Info System (PHIS) ist vor einem Jahr gestartet und überwacht die Gesundheit der Schweizer Nutzschweine. 40 Tierarztpraxen haben die App inzwischen genutzt und mehr als 2’000 Berichte erfasst. Über die Roll-out-Phase und die Praxiserfahrungen ziehen die Forschenden hier Bilanz.

Mit dem PHIS gibt es seit einem Jahr eine einheitliche und standardisierte Methode zur Erfassung von Gesundheitsdaten direkt in den Tierbeständen. Zuvor erschwerte die eingeschränkte Verfügbarkeit und die fehlende Standardisierung solcher Gesundheitsdaten die Analyse und deren Nutzung für eine effiziente Gesundheitsüberwachung. Die Verfügbarkeit solcher Daten ist entscheidend, um eine Veränderung in der Tiergesundheit frühzeitig zu erkennen und bei Bedarf zeitnah Massnahmen zum Schutz der Tiergesundheit in den Schweinebeständen im ganzen Land zu ergreifen. Wenn wir auf das vergangene Jahr zurückblicken, hat das PHIS erhebliche Vorteile für die Datenerfassung, Analyse und allgemeine Bestandsbetreuung in den Schweizer Schweinehaltungen gebracht.

Datenqualität und Sicherheit

Ein Hauptziel des PHIS ist es, die Qualität der während der Bestandsuntersuchungen erhobenen Daten zu verbessern, jedoch unter sehr starkem Fokus auf Datenschutz und Datensicherheit. Die Datenqualität wird durch die Verwendung standardisierter Fragebögen und die Integration von standardisierten Listen von Befunden, Symptomen und Krankheiten auf höchstem Niveau gehalten.

Die Sicherheit der Daten hat höchste Priorität. Es wird sichergestellt, dass alle im PHIS erfassten Daten sicher gespeichert und vor unbefugtem Zugriff geschützt sind. Dieser Schutz ist von grosser Wichtigkeit, um das Vertrauen der Tierhaltenden aber auch der Tierärztinnen und Tierärzte zu gewinnen. Sie müssen sich sicher sein können, dass ihre Daten jederzeit geschützt sind und vertraulich behandelt werden. Seit Januar 2024 wird das PHIS durch den Verein «Nutztiergesundheit Schweiz» (NTGS) als neutrale Stelle betrieben, was die Unabhängigkeit von einzelnen Institutionen weiter stärkt.

Des Weiteren hat der Einbezug von Laboren in das PHIS-Ökosystem die Datenübertragungsprozesse optimiert, den Zeit- und Arbeitsaufwand für die Dateneingabe reduziert und damit die Gesamteffizienz verbessert.

Abklärung von Bestandsproblemen durch Sektionsdiagnostik

Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) fördert die Sektionsdiagnostik im Rahmen der Programme PathoPig und ZoE-BTA („zielorientierte Entnahme von Proben durch den Bestandstierarzt“) zur Abklärung von Bestandsproblemen in Schweizer Schweinebeständen mit dem Ziel, die Tiergesundheit zu verbessern und sichere Lebensmittel zu gewährleisten.

Seit dem Rollout des PHIS im Jahr 2023 ist die Nutzung des PHIS in diesen Programmen obligatorisch. Dies stellt sicher, dass alle teilnehmenden Tierärzt*innen die gleichen hohen Standards bei der Datenerfassung einhalten. Diese Berichte sind hochstandardisiert und enthalten Informationen wie die Anamnese der untersuchten Tiere, Sektionsbefunde und die abschliessende Diagnose.

Erfolge und Benutzerakzeptanz

Nach einem Jahr gibt uns die Statistik Einblick in drei wichtige Aspekte: Erstens, wer die App nutzt, zweitens, wie die App genutzt wird und drittens, welche Ergebnisse dadurch erzielt wurden. Das PHIS wurde während des ersten Jahres von über 40 Tierarztpraxen in der Schweiz und Liechtenstein eingesetzt. Die meisten dieser Praxen befinden sich in den Kantonen Bern und Luzern, die für ihre hohe Schweinedichte bekannt sind. In den ersten zwölf Monaten wurden mehr als 2’000 Berichte im Rahmen von über 600 Bestandsuntersuchungen erstellt.

Dabei haben sich zwei Benutzergruppen herausgebildet:

  • Eine Gruppe, die die App eher selten, beispielsweise in Zusammenhang mit einer PathoPig-Untersuchung nutzt, und dabei nur zwingend erforderliche Angaben einträgt.
  • Die zweite Gruppe sind die sogenannten „Power-User“, die die PHIS-App inzwischen in ihren täglichen Arbeitsablauf integriert hat.

Die erfassten Daten bieten wertvolle Einblicke in die Gesundheit der Schweinebestände. Erste Analysen zeigen häufig auftretende Krankheiten und ermöglichen damit eine Sensibilisierung der Tierärzt*innen, aber auch der Tierhaltenden. Bei einer Verschlechterung der Tiergesundheit von nationaler Bedeutung wäre eine frühzeitige Intervention möglich, um den entstehenden Schaden möglichst gering zu halten und auch das Tierwohl zu fördern.

Benutzerfeedback und kontinuierliche Verbesserung

Kontinuierliche Verbesserung ist ein zentrales Prinzip bei der Entwicklung von des PHIS. Basierend auf Benutzerfeedback werden laufend kleinere und grössere Updates und Verbesserungen vorgenommen. Dazu gehören verbesserte Benutzeroberflächen, zusätzliche Datenfelder und erweiterte Berichtsfunktionen. Diese Updates stellen sicher, dass das PHIS relevant und effektiv bleibt, und die sich entwickelnden Bedürfnisse der Tierärzt*innen im Feld erfüllen kann.

Zukünftige Ausrichtungen

Blickt man in die Zukunft, zielt das PHIS darauf ab, seine Fähigkeiten und seine Reichweite zu erweitern. Einer der nächsten wichtigen Meilensteine wird die Fusion des PHIS mit einem neuen IT-System, dem Cattle Health Info System (CHIS), zu einem Animal Health Info System (AHIS), sein. Dieses System, ebenfalls entwickelt in einer Kooperation zwischen der Vetsuisse-Fakultät und der BFH, ist nicht nur für Bestände, sondern auch für „Patienten“-Tiere wie Kühe konzipiert. Hierbei steht sowohl die Gesundheit einzelner Tiere als auch ganzer Herden im Fokus. Die Integration der Patientenfunktionalität erforderte eine umfangreiche Erweiterung der Anwendung, um die optimale Benutzerfreundlichkeit zu gewährleisten. Synergien mit PHIS wurden während der gesamten Entwicklungsdauer optimal genutzt, um bald eine einheitliche Plattform für verschiedene Nutztierspezies bereitstellen zu können.

Eine weitere sich in der Entwicklung befindende Funktionalität ist ein Offline-Modus, der es ermöglichen wird, die App in abgelegenen Gebieten ohne Internetverbindung zu nutzen. Die Forschung in diesem Zusammenhang ist besonders wichtig, da es nicht üblich ist, dass mobile Apps ihr Verhalten in Abhängigkeit von einer vorhandenen bzw. fehlenden Internetverbindung anpassen können. Weitere Forschungsthemen betreffen die Datenanalyse und Dashboards, die interessierten Personen Zugang zu anonymisierten Analyseergebnissen ermöglichen und damit einen Überblick über die Schweizer Tiergesundheit bieten werden. Diese Verbesserungen werden das PHIS noch zugänglicher und nützlicher für eine breitere Benutzerbasis machen.

Aufgrund der guten Eignung für die Erfassung von Gesundheitsdaten und des hohen Grades an Datensicherheit und Datenschutz, gibt es bereits eine Reihe von Überlegungen, die Kernplattform des PHIS bzw. des Nachfolgers AHIS als Plattform zum Aufbau zusätzlicher Funktionalitäten zu nutzen. Dies würde erhebliche Vorteile in Bezug auf die Markteinführungszeit neuer Funktionen sowie die allgemeine Verwaltung mit sich bringen. Im besten Fall, mit Schnittstellen zu anderen Systemen wie Praxisverwaltungssystemen, könnte dies helfen, die erfassten Daten weiter zu harmonisieren und deren sichere Aufbewahrung zu gewährleisten.

Schlussfolgerung

Das erste Jahr nach Inbetriebnahme des PHIS war geprägt von stetiger Weiterentwicklung des Systems zur Unterstützung der Bestandsbetreuung in Schweizer Schweinebeständen. Die kontinuierliche zunehmende Akzeptanz der Anwendung, die verbesserte Datenqualität und die Rolle des PHIS in Programmen wie PathoPig und ZoE-BTA haben den Wert des PHIS für die Tierärzteschaft aufgezeigt. Zudem hat sich im Verlauf des ersten Betriebsjahres das Verständnis der App-Nutzer*innen laufend verbessert und die Weiterentwicklung des Systems kann nun noch gezielter auf deren Bedürfnisse ausgerichtet werden. Während sich das PHIS ununterbrochen weiterentwickelt und erweitert wird, spielt es zudem eine immer wichtigere Rolle in der Überwachung und Förderung der Tiergesundheit in der Schweiz.


Das BFH-Projekt «Pig Health Info System»

Das PHIS ist ein integriertes IT-System aus einer zentralen Datenplattform und vier Anwendungen, die entwickelt wurden, um die unterschiedlichen Bedürfnisse von Tierarztpraxen, Tierärzt*innen, Laboratorien und Labormitarbeitenden zu erfüllen. Im Mittelpunkt steht eine mobile App, die sowohl für Android als auch iOS verfügbar ist, und es den Bestandstierärzt*innen ermöglicht, ihre Befunde detailliert anhand verschiedener Formulare zu dokumentieren. Dies kann mit Bildern und Videos ergänzt werden, um die Klarheit und Vollständigkeit zu verbessern. Die anderen drei Anwendungen dienen der Eingabe von Laborergebnissen und der Verwaltung von Praxis- und Labordaten, und erleichtern den Datenaustausch zwischen den verschiedenen Interessensgruppen.

Das PHIS wurde entwickelt in einer Kooperation zwischen der Vetsuisse-Fakultät der Universitäten Bern und Zürich, und dem Departement Technik und Informatik der Berner Fachhochschule, zielt darauf ab, das Gesundheitsmanagement in Schweinebeständen in der Schweiz zu verbessern. Die Entwicklung des PHIS, die Weiterentwicklung zum AHIS, sowie der Betrieb des gesamten Systems wurden bzw. werden durch das BLV finanziert. Mehr Informationen finden Sie hier.

Creative Commons Licence

AUTHOR: Claudia Egle

Dr. med. vet. Claudia Egle ist Tierärztin mit langjähriger Erfahrung in der Betreuung von Nutztierbeständen und PHIS-Programmmanagerin bei Nutztiergesundheit Schweiz (NTGS).

AUTHOR: Kenneth Ritley

Kenneth Ritley ist Professor für Informatik am Institut für Datenanwendungen und Sicherheit (IDAS) der BFH Technik & Informatik. Der gebürtige US-Amerikaner hat schon eine internationale Karriere in IT hinter sich, er hatte diverse Führungspositionen in mehreren Schweizer Unternehmen inne wie Swiss Post Solutions und Sulzer und baute unter anderem Offshore-Teams in Indien und Nearshore-Teams in Bulgarien auf.

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