Wie der Posmo-Ethikrat ethische Grundsätze in der Praxis umsetzt

Die Nutzung von Mobilitätsdaten wirft ethische Herausforderungen auf, die über technische und wirtschaftliche Belange hinausgehen. Das Institut für Datenanwendungen und Sicherheit IDAS hat im Rahmen des Projekts InnoSuisse einen ethischen Rahmen für Posmo entwickelt. Dieser Rahmen leitet den Ethikrat von Posmo, um einen verantwortungsvollen Umgang mit den Daten zu gewährleisten. Durch die Betonung der menschlichen Empathie, des soziokulturellen Bewusstseins und der Transparenz gewährleistet Posmo eine ethische Entscheidungsfindung, fördert das Vertrauen der Öffentlichkeit und einen nachhaltigen Umgang mit Daten.

Bei der Nutzung von Mobilitätsdaten geht es nicht nur um die Lösung technischer und wirtschaftlicher Probleme, sondern vor allem auch um ethische Herausforderungen und Bedrohungen. Als ethischer Datenmarkt hat Posmo einen Ethikrat in seiner Struktur, dessen Aufgaben ein breites Spektrum an Einflussmöglichkeiten und Verpflichtungen umfassen. Diese doppelte Tätigkeit umfasst einen strategischen Fahrplan für ethische Entscheidungen und ein taktisches Bewertungsverfahren für jedes einzelne Projekt.

Posmo Bild1

Abbildung 1: Schematischer Aufbau des Posmo-Projekts.

Ethische Entscheidungsprozesse beeinflussen jede Phase des Lebenszyklus der Daten. In der Phase der Datenerhebung informiert Posmo seine Partner über den Inhalt, den Zeitpunkt und den Zweck der Datenerhebung, um die freiwillige Zustimmung der Teilnehmenden zu erhalten, sowie über die Möglichkeiten, diesen Prozess zu kontrollieren. Die Phase der Datenverarbeitung umfasst die Funktion, dass die Teilnehmenden ihre eigenen Daten kontrollieren, sowie die Aufzeichnung der erhaltenen Daten und der Anfragen zu deren Verwendung.

Datenkäufer*innen können die Mobilitätsdaten von Teilnehmenden ausschliesslich für die Durchführung von Projekten verwenden, die mit den ethischen Werten des Posmo-Datenmarktes übereinstimmen. Aus diesem Grund wird der von den Mitgliedern der Genossenschaft verabschiedete Ethikkodex auf der Website des Unternehmens veröffentlicht. Alle bei Posmo eingereichten Anfragen nach mobilen Daten, sowohl genehmigte als auch abgelehnte, werden in der entsprechenden Dokumentation festgehalten. Im Falle einer Projektablehnung erhalten die potenziellen Datenkäufer*innen eine klare und begründete Erklärung der Gründe und der Art der Unstimmigkeiten bei der Durchführbarkeit des Projekts. Der Prozess der Bewertung eines Projekts, das auf einer Anfrage nach Mobilitätsdaten beruht, erfolgt in zwei Phasen. Ab dem Zeitpunkt, an dem eine Anfrage auf der Posmo-Website registriert wird, führt der Ethikrat eine Bewertung des Projekts durch, die auf den Kriterien der angegebenen Projektziele und der potenziellen Risiken, Schäden und Vorteile für die betroffenen Personen und die Öffentlichkeit sowie auf der Einhaltung der ethischen Grundsätze und Werte von Posmo basiert. Die strikte Einhaltung und ein geringes Mass an potenziellen Risiken sind die Grundlage für die Einleitung des Projekts. Geringfügige Meinungsverschiedenheiten und ein mittleres Risikopotenzial sind ein Grund für die Aussetzung des Projekts. In diesem Fall gibt der Ethikrat den Datenkäufer*innen klare Empfehlungen für notwendige Änderungen des Projektinhalts. Bei erheblichen datenethischen Bedenken und einem hohen Risikopotenzial für die Betroffenen und die Gesellschaft wird das Projekt abgelehnt. Eine solche Vorentscheidung der Ethikkommission spart potenziellen Datenkäufern viel Zeit und Kosten.

Einfühlungsvermögen und Transparenz

Die zweite Stufe der Projektbewertung umfasst die Beurteilung der Analyseergebnisse im Hinblick auf die Einhaltung bestehender Standards, rechtlicher Anforderungen und ethischer Empfehlungen zur Datennutzung, Transparenz und Umweltfreundlichkeit sowie die potenziellen Auswirkungen auf die betroffenen Personen und die Gesellschaft. Betroffene Personen wie auch Datenkäufer können ihre Zusammenarbeit mit Posmo jederzeit beenden, indem sie die Verwaltung der Genossenschaft darüber informieren. Das Verfahren wird in dem am 24. Januar veröffentlichten Posmo-Artikel beschrieben.

Bei der Entscheidungsfindung durch den Ethikrat geht es nicht darum, zu urteilen, sondern zu beraten, wie ein Projekt im Sinne einer «Win-Win»-Situation umgesetzt werden kann. Ausserdem kann und sollte dieser Prozess nicht automatisiert werden. Der ethische Fokus der Entscheidungsfindung umfasst die Qualitäten des menschlichen Einfühlungsvermögens, das Verständnis des soziokulturellen Kontexts und die moralischen Grundlagen der Entscheidung. Darüber hinaus enthalten Mobilitätsdaten sensible Inhalte, deren Nutzung verschiedene Konsequenzen nach sich ziehen kann. Daher ist der Entscheidungsprozess mit Verantwortung und Rechenschaftspflicht verbunden, die nicht automatisiert werden können. In jedem Einzelfall kann es irrational oder falsch erscheinen, ethischen Normen und sozialen Werten Vorrang vor wirtschaftlichem Gewinn zu geben. Ausserdem ist der Inhalt moralischer Normen dynamisch und verändert sich im Laufe der Zeit. Ethische Fragen sind umstritten und komplex, weshalb sie oft als Dilemma bezeichnet werden. Daher ist Transparenz bei ihrer Annahme und Umsetzung erforderlich. Nur so ist es möglich, öffentliches Vertrauen zu schaffen und eine stabile Entwicklung bei der Datennutzung zu erreichen.

Auch aus technischer Sicht ist es unwahrscheinlich, dass der Entscheidungsprozess automatisiert werden kann. Mobilitätsdaten sind oft mehrdimensional, dynamisch und kontextabhängig, da sie menschliches Verhalten beschreiben. Ein automatisierter Ansatz für ihre Nutzung kann sich negativ auf ihre Qualität und Aussagekraft auswirken. Mobilitätsdaten müssen oft in bestehende Systeme und Infrastrukturen integriert werden, die vielfältig und komplex sein können. Die Lösung all dieser technischen Schwierigkeiten ist, wenn möglich, sehr ressourcenintensiv.


Über das Projekt

Die Genossenschaft Posmo (POSitive MObility) sammelt Mobilitätsdaten in einer bisher in der Schweiz nicht verfügbaren Qualität. Die Daten werden nicht nur als Entscheidungsgrundlage für die Gestaltung einer nachhaltigeren Mobilität genutzt, sondern auch in einem Datenmarkt für Forschung, Stadtentwicklung oder Mobilitätsplanung zur Verfügung gestellt. Das Ziel der Genossenschaft ist es nicht, Gewinn zu machen, sondern einen wichtigen Beitrag für eine bessere Zukunft der Schweiz zu leisten. Da Mobilitätsdaten datenschutzrechtlich hochsensibel sind, hat Posmo in einem früheren Innocheque-Projekt zusammen mit Forschenden des Instituts für Datenanwendungen und Sicherheit IDAS ein erstes Konzept für den ethischen Datenmarkt entwickelt, das nun weiterentwickelt werden soll.

Weitere Informationen finden Sie hier.

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AUTHOR: Olena Yatsenko

Olena Yatsenko ist Gastwissenschaftlerin am Labor für Virtuelle Realität und Robotik an der Berner Fachhochschule sowie Dozentin für Universitätsphilosophie an der Nationalen Pädagogischen Drahomanov Universität (Kiyv, Ukraine).

AUTHOR: Maël Gassmann

Maël Gassmann arbeitet als Assistent im Institut für Datenanwendungen und Sicherheit IDAS an der Berner Fachhochschule. Er hat Informatik mit Vertiefung in IT-Sicherheit studiert.

AUTHOR: Dominic Baumann

Dominic Baumann arbeitet als Assistent im Institute for Data Applications and Security IDAS an der Berner Fachhochschule. Er hat Informatik mit Vertiefung in IT-Sicherheit studiert.

AUTHOR: Annett Laube

Annett Laube ist Dozentin der Informatik an der BFH Technik & Informatik und leitet das Institute for Data Applications and Security (IDAS). Sie hat die fachliche Verantwortung für das Wissenschaftsmagazine SocietyByte, insbesondere für den Schwerpunkt Digital Identity, Privacy & Cybersecurity.

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